Algorithmischer Handel bezieht sich auf automatisierte Handelsstrategien, sowohl in Bezug auf die Identifizierung als auch auf die Ausführung von Trades. Der zunehmende Einsatz automatisierter Handelssysteme passt zum allgemeinen Trend der Automatisierung in vielen Branchen. Der algorithmische Handel ist jedoch mehr als nur eine effizientere Möglichkeit, Orders zu erfassen. Der gesamte Research- und Orderprozess kann von Automatisierung, Rechenleistung und neuen Technologien wie künstlicher Intelligenz profitieren.
- Was ist algorithmischer Handel?
- Wie algorithmischer Handel funktioniert
- Wer nutzt algorithmische Handelssysteme?
- Beispiele für algorithmische Handelsstrategien
- Vorteile des algorithmischen Handels
- Nachteile des algorithmischen Handels
Was ist algorithmischer Handel?
Algorithmische Handelsstrategien folgen einem regelbasierten System zur Auswahl von Anlageinstrumenten, zur Identifizierung von Chancen, zum Risikomanagement und zur Optimierung von Positionsgröße und Kapitaleinsatz. In den meisten Fällen werden die Systeme automatisiert, so dass Orders durch den Algorithmus ausgeführt werden. Begriffe wie systematischer Handel, elektronischer Handel, Black-Box-Handel, mechanischer Handel und quantitativer Handel können manchmal synonym mit dem algorithmischen Handel verwendet werden.
Ein sehr einfaches Beispiel für ein Algo-Handelssystem wäre eines, das einen Titel kauft, wenn sein 20-tägiger gleitender Durchschnittskurs seinen 50-tägigen gleitenden Durchschnittskurs nach oben durchkreuzt, und den Titel verkauft, wenn der 20-tägige gleitende Durchschnittskurs den 50-tägigen gleitenden Durchschnittskurs nach unten durchkreuzt. Das System würde dann den Handel ausführen und verwalten. In Wirklichkeit sind die meisten Handelssysteme weitaus komplexer, aber sie folgen immer noch einem systematischen, regelbasierten Ansatz.
Der Algo-Handel kann auf jede handelbare Anlageklasse angewendet werden, ist aber am besten geeignet für liquide Instrumente, die an Börsen oder in aktiven Interbankenmärkten gehandelt werden. Aus diesem Grund wird der Algo-Handel selten bei Small und Micro Cap Aktien oder in illiquiden Anleihemärkten eingesetzt. Die Systeme können in jedem Zeitfenster, von Sekundenbruchteilen bis hin zu Wochen- oder Monatszeiträumen, gehandelt werden.
Wie algorithmischer Handel funktioniert
Ein Algo-Handelssystem erfordert einen Live-Kursfeed von einer Börse und die notwendige Infrastruktur, um Orders an die Börse zu übermitteln. Es wird Software benötigt, die den eingehenden Kursfeed liest, ein Handelsprogramm ausführen und Aufträge erteilen kann, ebenso wie die notwendige Hardware zum Betreiben der Software. In einigen Fällen können auch zusätzliche Feeds für Fundamental- oder Marktstimmungsdaten (Sentiment) erforderlich sein.
Es muss eine regelbasierte Handelsstrategie programmiert werden, damit sie auf der Software ausgeführt werden kann. Der Algorithmus überwacht dann den Markt, um zu sehen, wann alle erforderlichen Bedingungen erfüllt sind. Die Orders werden dann automatisch generiert und an die Börse übermittelt. Sobald ein Trade ausgeführt wird, wird eine Nachricht an die Plattform zurückgesendet, um die Positions- und Order-Management-Tools zu aktualisieren.
Automatisierte Handelsalgorithmen müssen auch Live-Trades verwalten, um das Risiko zu managen und den Trade zu beenden, sobald die Zielwerte erreicht sind oder die Stop-Loss-Level überschritten werden. Ein wichtiger Aspekt eines jeden Handelssystems ist die Fähigkeit, sicherzustellen, dass das Exposure verwaltet wird und veraltete Aufträge zuverlässig am Markt gelöscht werden.
Wer nutzt algorithmische Handelssysteme?
Algorithmischer Handel wird oft mit HFT (High-Frequency Trading) oder Hochfrequenzhandel in Verbindung gebracht. HFT basiert in der Tat auf blitzschnellen Algorithmen, die Preisunterschiede zwischen Börsen ausnutzen. Allerdings ist der Einsatz von Computerprogrammen an den Finanzmärkten weitaus verbreiteter. Der Algo-Handel hält Einzug in fast alle Bereiche des Handels und der gesamten Investmentbranche. Darüber hinaus entstehen neue Ansätze für das Trading und das Finanzmanagement, die nur durch neuere Technologien möglich sind.
Die ersten automatisierten Handelssysteme wurden von Trendfolge-Fonds geschaffen. Diese Fonds verwenden einen mechanischen Ansatz, der nur auf Kurs- und Tagesenddaten basiert. Damit konnten einige der frühesten Mainframe-Computer zur Erzeugung von Handelssignalen eingesetzt werden. Seitdem hat der Algo-Handel einen langen Weg zurückgelegt. Für viele Fonds wird der gesamte Anlageprozess automatisiert, von der Recherche über die Aktienauswahl, die Ausführung bis hin zum Risikomanagement.
Quantitative Investmentfonds nutzen in hohem Maße Technologien, um Beziehungen zwischen Wertpapieren zu finden und Strategien zu optimieren. Diese Fonds kombinieren Rechenleistung mit statistischen und mathematischen Modellen, um die risikoadjustierte Rendite zu maximieren und dann Trades schnell zu identifizieren und auszuführen.
Hedgefonds sind zunehmend auf automatisierten Handel angewiesen, um eine schnelle Ausführung einer großen Anzahl von Trades zu gewährleisten. Fonds wie der Data Intelligence Fund von Lehner Investments nutzen ebenfalls Technologie, um neue Datenquellen zu finden und zu nutzen. Der Data Intelligence Fund nutzt Daten von Nachrichten- und Social-Media-Plattformen in Form von Echtzeit-Sentiment-Scores und ergänzt damit den Anlageprozess um eine weitere Quelle der Marktintelligenz.
Banken und institutionelle Broker verwenden Aktienhandelsalgorithmen, um große Aufträge mit minimalen Marktauswirkungen auszuführen. Market Maker verwenden auch Algorithmen zur Optimierung ihrer Kursstellung, um das Risiko zu managen und gleichzeitig Gewinne zu erzielen. Und Optionshändler verwenden Algorithmen, um Positionen dynamisch abzusichern und Risiken zu managen, sobald sich die Märkte bewegen.
Professionelle Trader und Daytrader beginnen ebenfalls damit den Algo-Handel vermehrt zu nutzen. Automatisierte Handelsplattformen und algorithmische Handelssoftware sind heute für Retail-Händler und Investoren weit verbreitet. Plattformen wie MetaTrader und NinjaTrader ermöglichen es Tradern mit sehr geringen Programmierkenntnissen, automatisierte Systeme einfach einzurichten. Diese sind besonders beliebt auf dem Devisenmarkt, da sie so eingestellt werden können, dass sie rund um die Uhr laufen.
Aktienbroker wie Interactive Brokers stellen Handelsplattformen zur Verfügung, die in der Lage sind, fortschrittliche Handelsalgorithmen auszuführen, die einer wachsenden Anzahl von algorithmischen Aktienhändlern zur Verfügung stehen. Diese Plattformen bieten Händlern Zugang zu Märkten auf der ganzen Welt und bieten Marginhandel, Aktienleihe und sogar Zugang zu Fremdkapital.
Beispiele für algorithmische Handelsstrategien
Wie bereits erwähnt, kann ein sehr grundlegendes algorithmisches Handelssystem auf nur einem oder zwei sehr grundlegenden Indikatoren basieren. Am anderen Ende des Spektrums nutzen die innovativsten Fonds Informationen aus Unternehmensbilanzen, künstliche Intelligenz und Big Data, um Möglichkeiten zu identifizieren, die ihnen einen Vorteil verschaffen können. Im Folgenden finden Sie Beispiele für algorithmische Handelsstrategien, angefangen bei den einfachsten bis hin zu komplexeren Systemen. Das gemeinsame Thema der Strategien ist, dass sie alle in einen Algorithmus umgewandelt werden können, der auf einem Regelsystem basiert:
- Trendfolge Strategien
- Mean Reversion Strategien
- Arbitrage Handelsstrategien
- Statistische Arbitrage
- Index Arbitrage
- VWAP- und TWAP-Algorithmen
- Quantitative Anlagestrategien
- Quantitative Handelsstrategien
- Indexveränderungen
Trendfolge Strategien kaufen Aktien die aktuell Stärke aufweisen und verkaufen Aktien die aktuell schwächer sind, um sicherzustellen, dass das Portfolio immer gemäß des aktuellen Trends positioniert ist. Diese Systeme verwenden gleitende Durchschnitte oder Trendkanäle auf der Grundlage historischer Höchst- und Tiefstkurse. Ziel ist es, langfristige Trends zu erfassen und gleichzeitig die Verluste in Konsolidierungsphasen zu minimieren.
Mean Reversion Strategien versuchen, von der Tatsache zu profitieren, dass Kurse tendenziell zu ihrem Durchschnitt zurückkehren. Dies gilt insbesondere in Zeiten, in denen Kurse in einer bestimmten Bandbreite liegen. Sie basieren in der Regel auf Oszillatoren oder Volatilitätsbändern und gleitenden Durchschnitten. Zunehmend nutzen solche Systeme die Marktstimmung, um Extreme zu identifizieren.
Arbitrage Handelsstrategien eröffnen gleichzeitig Long- und Short-Positionen, um von temporären Fehlpreisen zu profitieren. Arbitrage-Strategien können verwendet werden, wenn dasselbe Wertpapier an verschiedenen Börsen zu unterschiedlichen Preisen gehandelt wird. Die Strategie kann auch bei verwandten Wertpapieren wie verschiedenen Aktiengattungen oder Wandelschuldverschreibungen verwendet werden. Manchmal, wenn ein Unternehmen in verschiedenen Ländern notiert ist, beinhaltet ein Arbitragegeschäft auch einen Währungshandel. Der automatisierte Handel eignet sich besonders gut für Arbitrage, da komplexe Berechnungen durchgeführt werden können, um Chancen zu nutzen, die möglicherweise nur vorübergehend bestehen.
Statistische Arbitrage kombiniert Kursdaten und Fundamentaldaten, um Long- und Short-Positionen in ähnlichen Aktien zu eröffnen. Ein Algorithmus könnte beispielsweise eine Long-Position in BP und eine Short-Position in Shell eröffnen, basierend auf deren relativen Bewertungen. Ein solcher Handel hätte wenig Einfluss auf den Markt oder den Ölpreis, ist aber eine Wette darauf, dass sich ihre relativen Bewertungen ändern.
Die Indexarbitrage profitiert von Fehlpreisen zwischen Aktien- und Terminmärkten. Wenn sich ein Index-Future-Kontrakt und der ihm zugrunde liegende Index zu weit auseinander bewegen, können Händler risikofreie Gewinne erzielen, indem sie Long- und Short-Positionen in den zugrunde liegenden Aktien und dem Future-Kontrakt eröffnen. Die Aktiengeschäfte werden mit einem Algorithmus ausgeführt, der gleichzeitig alle Aktien des Index kauft oder verkauft.
VWAP- und TWAP-Algorithmen werden von institutionellen Händlern zur Ausführung großer Aufträge eingesetzt. Ein Algorithmus kann verwendet werden, um automatisch eine bestimmte Anzahl von Aktien zum VWAP (Volume Weighted Average Price) über den Tag zu kaufen. Der Algorithmus kauft automatisch den ganzen Tag über Aktien, um den Durchschnittspreis der Aktien mit dem Durchschnittspreis des Marktes in Einklang zu bringen. TWAP (Time Weighted Average Price) ist ähnlich, verwendet aber den Marktpreis in regelmäßigen Abständen, um den Durchschnittspreis zu berechnen. Diese Algorithmen können auch so eingestellt werden, dass sie einen bestimmten Prozentsatz des gesamten Marktvolumens handeln. Diese Algorithmen werden verwendet, um die Auswirkungen von Großaufträgen auf den Markt zu begrenzen.
Quantitative Anlagestrategien nutzen eine Kombination von Faktoren wie Unternehmenswert, Wachstum, Dividendenrendite oder Momentum, um Wertpapiere zum Kauf oder Verkauf auszuwählen. Während diese Strategien nicht immer automatisiert sind, automatisieren immer mehr Quant-Fonds die Ausführung.
Quantitative Handelsstrategien können auf einer beliebigen Kombination von Kurs- und Fundamentaldaten basieren. Rotationsstrategien verwenden beispielsweise eine Rangliste, um das Kapital ständig in die bestplatzierten Aktien und raus aus den schlechter platzierten Aktien zu rotieren.
Indexveränderungen bieten auch für Algo-Händler Chancen. Die Indizes werden in regelmäßigen Abständen neu gewichtet, was bedeutet, dass Indexfonds wie ETFs ihre Bestände neu ausrichten müssen. Algorithmen können für die Berechnung der wahrscheinlichen Orders verwendet werden um von den erwarteten Veränderungen von Angebot und Nachfrage zu profitieren.
Vorteile des algorithmischen Handels
- Algo-Handelssysteme basieren in der Regel auf empirischen Erkenntnissen über das beobachtete Verhalten von Aktien. Dies unterscheidet sich vom diskretionären Handel, der sehr oft auf Theorien und Prognosen basiert. Da Algorithmen spezifische Regeln benötigen, sind sie leicht zu testen. Im Gegensatz dazu sind Prognosen und Ermessensspielräume erst nachträglich zu testen.
- Algorithmische und quantitative Handelssysteme sind in der Lage, ein sehr großes Universum von Wertpapieren abzudecken. Menschen können nur eine begrenzte Anzahl von Märkten erforschen und überwachen, während ein herkömmlicher Computer Tausende von Wertpapieren überwachen kann. Dies erweitert die Möglichkeiten für ein automatisiertes Handelssystem und reduziert die Kosten.
- Ein automatisiertes Handelssystem kann Chancen identifizieren, die den Bedingungen der Strategie entsprechen, und Trades viel schneller ausführen als ein menschlicher Trader. Chancen, die nur für den Bruchteil einer Sekunde bestehen, können genutzt werden, und es besteht nur eine geringe Möglichkeit, dass ein Handel verpasst wird.
- Algorithmischer Handel ist weniger anfällig für menschliches Versagen. Dies gilt für das Research, die Identifizierung von Chancen, die Berechnung der richtigen Handelsgröße und die Ausführung von Trades.
Nachteile des algorithmischen Handels
Obwohl es erhebliche Vorteile für den Algo-Handel gibt, kann algorithmischer Handel nicht ohne gewisse Nachteile und Risiken betrachtet werden.
- Systematische Handelsstrategien entwickeln sich nicht immer unendlich weiter. Sobald andere Trader Handelssysteme bauen, die ähnliche Muster oder Ineffizienzen am Markt nutzen, kann der Vorteil eines Systems untergraben werden. Bei Handelsstrategien mit geringen Margen können Transaktionskosten den Gewinn schnell übersteigen.
- Algo-Handelssysteme sind nicht in der Lage, sich an veränderte Marktbedingungen anzupassen, wie es menschliche Händler können. Eine besondere Herausforderung für Handelssysteme besteht darin, zu wissen, wann sie ausgeschaltet werden müssen oder wann sie möglicherweise überhaupt nicht mehr anwendbar sind. Verlustphasen werden oft gefolgt von Gewinnphasen und es besteht immer die Gefahr, dass ein System kurz vor Beginn einer Gewinnserie ausgeschaltet wird. Andererseits, wenn ein System nicht mehr funktionsfähig ist, wird es vermehrt Verluste generieren.
- Große Volatilitätsspitzen und Flash-Crashs sind eine weitere Herausforderung für Systemhändler. Wenn die Volatilität steigt, erhöht sich das Risiko von höheren Spreads und großen Overnight-Gaps. Wenn Hebelwirkung genutzt wird, kann dies für ein Handelssystem fatal sein. Gleichzeitig schafft Volatilität oft die besten Chancen. Darüber hinaus können automatisierte Systeme nicht bestimmen, wann eine Zunahme der Volatilität wahrscheinlich durch kurzfristige oder durch dauerhaftere Faktoren verursacht wurde.
- Eine erhöhte Volatilität kann auch dazu führen, dass die Korrelationen, auf denen einige Systeme basieren, ausfallen. Dies gilt insbesondere für statistische Arbitrage und ähnliche Long / Short Strategien.
Fazit: Algorithmischer Handel hat die Finanzmärkte verändert
Der Algo-Handel wird immer mehr zum Standard für kurzfristig orientierte Trader und Portfoliomanager. Wie bereits erwähnt, gibt es Risiken und Nachteile. Wenn die Märkte jedoch noch effizienter werden, sind die Chancen für Outperformance kleiner und die traditionellen Ansätze weniger tragfähig. Algorithmische Handelssysteme können mehr Wertpapiere überwachen und durch die Nutzung kleinerer, aber zahlreicherer Möglichkeiten relevant bleiben.
Wie heutzutage in den meisten Branchen ist die Automatisierung auch ein Merkmal der Finanzmärkte. Neue Technologien wie maschinelles Lernen und die Auswertung großer Datenmengen führen auch zu neuen Handelsansätzen, von denen die meisten für den automatisierten Handel geeignet sind. Es ist daher wahrscheinlich, dass algorithmischer Handel den Markt in Zukunft noch stärker dominieren wird.