Die Finanzdienstleistungsbranche sieht sich zunehmend mit Disruption durch FinTech Unternehmen konfrontiert, die die Möglichkeiten neuer Technologien aktiv nutzen um bestehende Prozesse zu revolutionieren. Dazu gehört auch die Geldanlage, wobei Technologien beispielweise eingesetzt werden, um die Effizienz zu steigern oder um sich einen Informationsvorsprung zu verschaffen. Dies zeigt sich zuletzt im Aufkommen von KI basierten Anlagestrategien.
Anlagestrategien mit einem quantitativen Ansatz haben sich schon länger als wichtiger Teil der Vermögensverwaltungsbranche etabliert. Bestehende Modelle und Strategien werden durch die Einführung von künstlicher Intelligenz (KI) und großen Datenmengen (Big Data) jedoch noch einmal auf ein neues Niveau gehoben. Diese Fortschritte durch neue Technologien bieten interessante Möglichkeiten bei der endlosen Suche nach Alpha.
- Die Evolution des Asset Managements
- Was ist künstliche Intelligenz (KI)?
- Was ist Big Data?
- Wie verändern KI und Big Data die Vermögensverwaltungsbranche?
- Vorteile von KI basierten Handelsstrategien
- Ein Beispiel für KI und Big Data im Asset Management
- Ausblick: Die Zukunft der Vermögensverwaltung
Die Evolution des Asset Managements
Die Vermögensverwaltungsbranche entwickelt sich vor allem in drei Bereichen weiter: Anlagevehikel, Ansätze zur Portfolioverwaltung und Technologie. In vielen Fällen haben Fortschritte in einem Bereich die nächsten Schritte in anderen Bereichen erst ermöglicht. Vor 1950 war ein klassisches Aktiendepot quasi die einzige Möglichkeit, die Anlegern zur Verfügung stand. Entweder die Kunden selbst oder ihr Bankberater wählten Aktien aus um das Portfolio entsprechend zu verwalten. Dieser Ansatz folgte einem relativ unstrukturierten Prozess.
Obwohl in den 1930er und 1940er Jahren einige Untersuchungen zum Aktienverhalten und Portfoliomanagement durchgeführt wurden, wurde der Bereich Portfoliomanagement erst ab den 1950er Jahren ernster genommen. In den nächsten drei Jahrzehnten entwickelte sich eine Reihe von Modellen und Theorien, die heute als moderne Portfoliotheorie bekannt sind.
Der Aufstieg der modernen Portfoliotheorie
Die moderne Portfoliotheorie befasst sich mit dem Verhältnis von Risiko und der Gesamtrendite. Darüber hinaus werden die Vorteile von Diversifikation und Portfoliooptimierung hervorgehoben. Die Modelle der Vermögensallokation wurden um Anleihen, Immobilien und Barmittel erweitert, um das Risikoprofil eines Portfolios weiter zu verbessern. Ein Großteil der Forschung, auf der diese Theorien basieren, war nur möglich, da Computer in den 1960er und 1970er Jahren leistungsfähig genug wurden.
Etwa zur gleichen Zeit wurden die ersten Investmentfonds eingeführt. Publikumsfonds haben den potenziellen Kundenkreis für Vermögensverwaltungsgesellschaften deutlich erweitert. Die ersten Experimente mit Hedge-Fonds-Strategien wurden ebenfalls in den 1960er Jahren durchgeführt, obwohl sie erst viel später bekannt wurden.
Quantitative Vermögensverwaltung
Die nächste Phase der Entwicklung der Vermögensverwaltungsbranche nahm erst in den 90er Jahren richtig Fahrt auf. Zu diesem Zeitpunkt wurde die quantitative Vermögensverwaltung zu einem festen Bestandteil der Anlagelandschaft. Ab diesem Zeitpunkt konnten Desktop-PCs für umfangreiche Recherchen, Portfolioanalysen und -optimierungen eingesetzt werden. Dieser Anlagestil verwendet empirische Zusammenhänge für die Komposition von Wertpapierportfolios und nicht die von aktiven Fondsmanagern bis dahin fast ausschließlich verwendete Fundamentalanalyse.
Passives Fondsmanagement, das sich in vielerlei Hinsicht mit quantitativen Ansätzen überschneidet, begann in den 90er Jahren mit der Einführung von Exchange Traded Funds (ETFs). Zu diesem Zeitpunkt wurde immer offensichtlicher, dass die meisten aktiven Fondsmanager ihre Benchmarks auf Dauer nicht übertreffen. ETFs ermöglichen es Investoren unkompliziert und kostengünstig ein Portfolio zu diversifizieren und die Marktrendite zu erzielen. Mit der Einführung des passiven Investierens mit Indexfonds wurden die Konzepte von Alpha und Beta weiter formalisiert.
Fokussierter Ansatz zur Generierung von Alpha
Kundenportfolios wurden aufgeteilt in einen Teil, der darauf abzielt, die Marktrendite billig zu erwirtschaften (Beta) und einen weiteren Teil, der darauf abzielt, Überrenditen zu generieren (Alpha). Dieser Wandel, zusammen mit den technologischen Fortschritten und den Erfahrungen aus der Welt des quantitativen Investierens, führte zu einem fokussierteren Ansatz zur Erzeugung von Alpha.
Für einen Großteil der letzten zwei Jahrzehnte konzentrierte sich die Suche nach Alpha auf die Auswahl von Aktien, marktneutrale sowie Long- / Short-Aktienhandelsstrategien und dem Handel auf Basis von algorithmischen Handelssignalen. Fast alle diese Strategien haben jedoch die gleichen herkömmlichen Daten verwendet: Unternehmensdaten, historische Kursdaten und Wirtschaftsdaten.
Die Fortschritte in der Finanztechnologie (FinTech) haben auch zu neuen Arten von Vermögensverwaltungsgesellschaften geführt. Diese FinTech Unternehmen sind fast ausschließlich auf Technologie ausgerichtet. In gewisser Weise sind sie die Ubers oder Airbnbs der Vermögensverwaltungsbranche. So ermöglichen beispielsweise Social Trading Plattformen privaten und institutionellen Anlegern Trades anderer Händler zu kopieren. Und Robo-Advisor erstellen und verwalten Portfolios automatisch.
Die nächste Phase in der Evolution des Asset Managements ist im Gange und bringt den algorithmischen Handel auf eine neue Ebene, indem sie künstliche Intelligenz und große Datenmengen in den Prozess einführt.
Was ist künstliche Intelligenz (KI)?
KI – künstliche Intelligenz – wird oft austauschbar mit Begriffen wie Machine Learning, Deep Learning und Neuronalen Netzwerken verwendet. Streng genommen ist Machine Learning ein Teil von KI und Deep Learning ist ein Teil von Machine Learning. KI hat keine genaue Definition, sondern bezieht sich im Allgemeinen auf die Wissenschaft und Technik hinter Maschinen oder Programmen, die intelligente Entscheidungen treffen können.
Machine Learning bezieht sich auf Programme, die sich selbst verändern können, um ihre Entscheidungsfindung zu verbessern. Deep Learning und neuronale Netzwerke führen zu einem wissenschaftlicheren oder mathematischeren Ansatz des maschinellen Lernens. Unabhängig vom Begriff suchen die meisten KI-Programme nach linearen und nichtlinearen Beziehungen zwischen Datenpunkten, um Vorhersagen oder Entscheidungen zu treffen. KI-Programme verwenden typischerweise historische Daten, um Muster zu lernen und zu finden. Diese Muster werden dann mit Live-Daten verwendet, um Vorhersagen oder Entscheidungen zu treffen.
Die meisten Algorithmen, die KI verwenden, führen eine immense Anzahl von Berechnungen mit riesigen Datenmengen durch. Dies bedeutet, dass die Entwicklung von KI bisher stark von der verfügbaren Rechenleistung der Computer abhängig war. Die Rechenleistung wiederum ist in den letzten Jahrzehnten exponentiell gewachsen. KI-Programme auf dem aktuellen Stand der Technik können daher nun auch auf handelsüblichen Desktop-PCs ausgeführt werden.
Unabhängig von der Art des Algorithmus, oder der verfügbaren Rechenleistung, hängt die Vorhersagefähigkeit der Algorithmen von zwei Attributen der verwendeten Daten ab. Erstens muss es tatsächlich ein Muster oder eine Beziehung innerhalb des Datensatzes geben. Und zweitens muss der zum Lernen verwendete Datensatz groß genug sein. Das Datenvolumen, die Datentypen und die Qualität der Daten sind daher für KI von entscheidender Bedeutung. Hier kommen Big Data Analysen ins Spiel.
Was ist Big Data?
Der Begriff Big Data bezieht sich auf den Prozess der Erfassung, Speicherung, Organisation und Analyse sehr großer Datensätze. Moderne Technologien erzeugen immer mehr Datenmengen in immer schnellerem Tempo. Mehr als 90 Prozent der heute vorhandenen Daten wurden allein in den letzten 2 Jahren generiert. Anfang 2018 wurden täglich 2,5 Trillion Bytes an Daten erzeugt, und diese Zahl ist seitdem weiter gestiegen.
Potenziell nützliche Daten werden durch Social Media, Google-Suchen, mobile Geräte und andere verbundene Geräte wie Fahrzeuge, Drohnen und Kameras erzeugt. Diese Datenquellen sowohl strukturierter als auch unstrukturierter Daten können für die Analyse großer Datenmengen genutzt werden, um Vorhersagen und Entscheidungen in zahlreichen Branchen zu treffen.
Solche großen Datensätze müssen erst organisiert (ein eigener Bereich) und dann mit leistungsfähiger Datenanalysesoftware und hoher Rechenleistung verarbeitet werden. Gut organisierte Daten in Kombination mit effektiver KI-Software können Erkenntnisse aufdecken, die bisher nicht verfügbar waren. Der Bereich der Big Data Technologie wächst rasant in Verbindung mit KI aufgrund der wachsenden Anzahl von Datenquellen und der wachsenden Anzahl von Anwendungen für autonome Maschinen und Programme.
Wie verändern KI und Big Data die Vermögensverwaltungsbranche?
Ein weit verbreitetes Missverständnis in Bezug auf künstliche Intelligenz und der Vermögensverwaltungsbranche ist, dass Computer zukünftig Menschen ersetzen werden und deren Arbeit verrichten werden. Dies mag zwar in gewissem Maße zutreffen, berührt aber nur die Oberfläche. KI bringt, insbesondere in Kombination mit neuen Datenquellen, völlig neue Methoden und Möglichkeiten in die Vermögensverwaltungsbranche.
In diesem Artikel konzentrieren wir uns auf die Wertpapierauswahl und das Portfoliomanagement. KI wird aber auch im operativen Geschäft, im Kundenbeziehungsmanagement und bei der Beurteilung des Risikoprofils und der Bedürfnisse der Kunden eingesetzt. Robo-Advisor nutzen zum Beispiel KI, um die Bedürfnisse eines Kunden zu ermitteln. KI wird auch für das Datenmanagement eingesetzt, da Vermögensverwalter immer größere Mengen an Kundendaten sammeln.
Wenn es darum geht künstliche Intelligenz für Anlageentscheidungen zu nutzen, besteht das Hauptziel darin, Muster oder Beziehungen zwischen Aktienkursen und anderen Faktoren zu finden. Traditionell bedeutete dies vor allem fundamentale und wirtschaftliche Daten. Mit großen Datenmengen sind die Möglichkeiten endlos.
So können beispielsweise Satellitenfotos verwendet werden, um die Anzahl der Autos auf dem Parkplatz in einem Einkaufszentrum zu überwachen. Daten von Nachrichten-Websites und Social Media Plattformen können analysiert werden, um die Stimmung zu einem Wertpapier einzuschätzen. Internet-Suchtrends und Website-Traffic können auch genutzt werden, um das Verbraucherverhalten vorherzusagen.
Diese Daten können verwendet werden, um bereits offensichtliche Beziehungen zu finden – aber manchmal sind es die weniger offensichtlichen Muster, die von besonderem Wert sind. Hier kann KI gezielt eingesetzt werden, um die Muster zu finden, die man nicht erwartet oder gesucht hätte.
Während traditionelle Vermögensmanager auf der Grundlage von Theorien über die Entwicklung von Unternehmen und deren Aktienkursentwicklung entscheiden, sind quantitative Ansätze evidenzbasiert. Mit anderen Worten, Entscheidungen basieren auf Modellen, die auf empirischen Erkenntnissen basieren, was tatsächlich passiert, und nicht darauf, was die Menschen denken, was passieren wird.
Quantitative Handelsstrategien betonen auch die Bedeutung des Verständnisses von Wahrscheinlichkeiten. Nichts ist jemals sicher, aber bei einem ausreichend großen Stichprobenumfang sind die Wahrscheinlichkeiten relativ stabil. Die Verwendung von KI und großen Datenmengen verstärkt die Verwendung sowohl evidenzbasierter Modelle als auch probabilistischer Handel.
Asset Manager stehen heute im Wettbewerb mit FinTech-Unternehmen, die einen ganz anderen Ansatz in der Welt des Portfoliomanagements verfolgen. Wenn eine Datenquelle proprietär und nicht Open Source ist, wird eine erfolgreiche Strategie, die auf ihr basiert, umso wertvoller sein. Große Vermögensverwalter versuchen daher, wertvolle proprietäre Datensätze aufzubauen, die selbst einen Wert haben.
Vorteile von KI basierten Handelsstrategien
Traditionelle Fondsmanager stützen ihre Anlageentscheidungen überwiegend auf Theorien über die Entwicklung von Aktienkursen und die Zukunftsaussichten für Unternehmen und der Wirtschaft. Dies ist ein häufig sehr subjektiver Ansatz, der nicht getestet werden kann. Sowohl KI als auch das breitere Feld der quantitativen Geldanlage basieren hingegen auf evidenzbasierten Anlagestrategien. Evidenzbasiertes Investieren führt zu einem wissenschaftlicheren Ansatz, der mehr Sicherheit und ein besseres Verständnis für den potenziellen Zusammenhang zwischen Risiko und Ertrag bietet.
Die Einführung von KI und Big Data ermöglicht es, dass Anlageentscheidungen auf einer weitaus breiteren Datengrundlage getroffen werden können als die traditionell von Portfoliomanagern verwendet wird. Darüber hinaus können viele dieser Datensätze in Echtzeit abgerufen werden, im Gegensatz zu traditionellen Finanzinformationen, die nur wöchentlich, monatlich oder vierteljährlich veröffentlicht werden.
Algorithmen können inzwischen auch sehr große Datensätze sehr schnell verarbeiten. Das bedeutet, dass weitaus mehr Daten analysiert werden können, Entscheidungen viel schneller getroffen werden können und der gesamte Prozess billiger ist. Als Ergebnis ist es für einen Fonds möglich, ein deutlich größeres potenzielles Universum an Wertpapieren und Anlagemöglichkeiten abzudecken und intensiver zu analysieren. Schließlich hat die Behavioral Finance bewiesen, dass Investoren in der realen Welt nicht annähernd so rational sind, wie es die effiziente Markthypothese vermuten lässt. Dies schafft Anomalien und Möglichkeiten, die nur KI-Lernalgorithmen effizient finden und nutzen können.
Ein Beispiel für KI und Big Data im Asset Management
Lehner Investments ist beispielsweise ein Unternehmen, das sowohl KI als auch Big Data basierte Handelsstrategien einsetzt. Der Data Intelligence Fund verfolgt eine Long- / Short-Strategie für europäische Aktien, bei der Natural Language Processing und die Analyse von Finanznachrichten und benutzergenerierten Daten aus Social Media Plattformen zu Wertpapieren eingesetzt wird.
KI basierte Anlagestrategien hängen von der Qualität und den Quellen der verwendeten Daten ab. In diesem Zusammenhang wird angestrebt, so viele Quellen wie möglich für relevante Daten zu finden. Die Daten werden in Form von Nachrichten, Research, Analysen und benutzergenerierten Daten aus sozialen Netzwerken gesammelt. Social Media Seiten, insbesondere Plattformen wie Twitter, Reddit und StockTwits, generieren immer mehr Daten, die nur wenige andere Vermögensverwalter effektiv nutzen können.
Der Algorithmus überwacht über 45.000 Wertpapiere auf der ganzen Welt. Ein maschineller Lernalgorithmus sucht nach Beziehungen zwischen dem, was über Wertpapiere gesagt wird, wichtigen Ereignissen und den Preisbewegungen dieser Wertpapiere. Anschließend werden Prognosen auf Basis aggregierter Sentimentwerte und Wertpapierkurse getroffen, die zur Erzeugung von Handelssignalen verwendet werden.
Neben der Verwendung von KI und Big Data Analysen für die Aktienauswahl und die Risiko-Steuerung wird das Risiko des Aktienportfolios auch mit Big Data Triggern sowie traditionellen Stop Loss Limiten gesteuert. Lehner Investments ist ein Beispiel für eine neue Generation von Fondsmanagern, die die Stärke von KI mit Echtzeitdaten kombinieren, um Alpha zu erzeugen.
Ausblick: Die Zukunft der Vermögensverwaltung
Die Vermögensverwaltung wird sich zweifellos an mehreren Fronten weiterentwickeln, darunter die Art der Produkte, die verkauft werden, die Art der Portfolioverwaltung und die Art und Weise, wie Kundenbeziehungen verwaltet werden. Eines ist sicher: Software wird eine wachsende Rolle spielen, wenn die Suche nach Alpha immer anspruchsvoller wird. Sobald KI basierte Strategien mehr Vermögen anziehen, werden Unternehmen mehr Ressourcen für die Erschließung dieser innovativen Anlagestrategien einsetzen. Infolgedessen können wir davon ausgehen, dass zukünftig mehr KI basierte Anlageprodukte auf den Markt kommen werden.
Das Ergebnis wird sein, dass nur die Unternehmen in der Vermögensverwaltungsbranche überleben werden, die es ernst meinen, neue Daten und neue Methoden in der Anwendung von KI zu finden. Dies wird eine Branche für Spezialisten sein, während diejenigen, die KI als kurzfristige Neuerung oder als reine Marketingmaßnahme behandeln, schnell entlarvt werden.