
Factor Investing ist ein schnell wachsender Ansatz für die evidenzbasierte und quantitative Geldanlage. Es wird geschätzt, dass weltweit über 1,9 Billionen Dollar an Vermögenswerten mit Hilfe faktorbasierter Strategien verwaltet werden. Anlagestrategien, die auf Faktoren basieren und die in der Vergangenheit zu einer Outperformance geführt haben, eignen sich ideal für Anlageprodukte wie ETFs sowie für eigenständige Portfolios. In diesem Artikel beschreiben wir die Geschichte des Factor Investing, was es mit dieser Strategie auf sich hat und einige prominente Beispiele für faktorbasiertes Investieren. Außerdem betrachten wir die Vor- und Nachteile von Factor Investing.
- Was ist faktorbasiertes Investieren?
- Kurzer Einblick in die Geschichte des Factor Investing
- Grundlagen des Factor Investing
- Beispiele für Faktoren als Renditetreiber
- Faktoren als Indikatoren für Risiko und Ertrag
- Vor- und Nachteile des Factor Investing
- Alternativen zum faktorbasierten Investieren
Was ist faktorbasiertes Investieren?

Faktoren sind spezifische Eigenschaften von Aktien, die sich in der Vergangenheit als renditetreibend erwiesen haben. Ein Beispiel für einen häufig verfolgten Faktor ist das Kurs-Buchwert-Verhältnis, das ein Bewertungsmaßstab ist. Portfolios mit Aktien die ein niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis aufweisen, haben sich in den meisten Zeiträumen der letzten 50 Jahre besser entwickelt als die Marktindizes. Heute sind Investmentfonds und ETFs (Exchange Traded Funds), die faktorbasierte Anlagestrategien verwenden, sehr verbreitet.
Institutionelle Investoren verwenden auch immer mehr faktorbasierte Anlagestrategien, die in mehrfacher Hinsicht kostengünstiger zu verwalten sind als traditionelle aktive Managementstrategien. Faktoren werden kombiniert, um Anlageportfolios zu bilden, die erwartungsgemäß eine überdurchschnittliche Rendite im Vergleich zur Benchmark generieren. Faktoren werden auch zur Risikosteuerung innerhalb der Anlageklassen herangezogen. Faktorbasiertes Investieren konzentriert sich in der Regel auf unternehmensspezifische Faktoren und deren erwartete Renditen.
Makroökonomische Faktoren können auch dazu verwendet werden, das Marktumfeld und dessen Auswirkungen auf Anlageklassen und Sektoren zu beschreiben. Wenn ein Makrofaktor Risiken über verschiedene Anlageklassen hinweg beschreibt und erfasst, kann dies für die Asset Allokation in einem Portfolio hilfreich sein. Factor Investing wird auch als Risk Premia Strategie bezeichnet, da das Ziel darin besteht, Wertpapiere auszuwählen, bei denen eine überdurchschnittliche Risikoprämie erwartet wird.
Kurzer Einblick in die Geschichte des Factor Investing

Das Konzept von Faktoren als Renditetreiber im Rahmen der Geldanlage hat seine Wurzeln im Capital Asset Pricing Modell (CAPM), das in den 1960er Jahren entwickelt wurde. Dieses Modell deutete darauf hin, dass Renditen größtenteils mit dem Risiko zusammenhängen, das durch Beta gemessen wird. Je höher der Beta-Wert einer Aktie, desto höher die erwartete Rendite. Der nächste Schritt kam 1981, als eine Forschungsarbeit zeigte, dass Aktien kleinerer Unternehmen (Small Caps), Aktien größerer Unternehmen (Large Caps) langfristig überholten.
1992 zeigten zwei Professoren der University of Chicago, Eugene Fama und Kenneth French, dass der Unternehmenswert auch zur Abschätzung zukünftiger Renditen genutzt werden kann. Im folgenden Jahr zeigte eine weitere Studie, dass sich Aktien mit hohem Momentum besser entwickeln können als Marktindizes. Seitdem hat die Forschung gezeigt, dass eine Reihe anderer Faktoren, die mit Rentabilität, Rendite, Leverage und Fremdfinanzierung zusammenhängen, auch dazu genutzt werden können, langfristige Outperformance von Aktien zu erklären.
Obwohl BlackRock bereits 1971 den ersten Faktor-Fonds auflegte, hat sich der Ansatz erst in den letzten zwei Jahrzehnten durchgesetzt. Dies liegt vor allem daran, dass Factor Investing sich sehr gut für kostengünstige Produkte wie Exchange Traded Funds eignet. Laut Morningstar gibt es nun 771 ETFs, die auf Faktoren basieren. Diese bieten eine breite Palette von Instrumenten, mit denen eine faktorbasierte ETF-Anlagestrategie aufgebaut werden kann.
Grundlagen des Factor Investing

Sechs Arten von Merkmalen werden weithin als Haupttreiber für Renditen akzeptiert, die eine Outperformance erklären können. Dazu gehören:
- Unternehmenswert: Aktien mit niedrigen Kursen im Verhältnis zum fundamentalen Unternehmenswert haben sich in der Vergangenheit besser entwickelt als teurere Aktien.
- Größe: Kleinere Unternehmen, gemessen an der Marktkapitalisierung, haben sich in der Vergangenheit besser entwickelt als größere Unternehmen.
- Momentum: Eine gute Performance einer Aktie in den letzten 3 bis 12 Monaten führt tendenziell zu einer Outperformance in den folgenden 12 bis 24 Monaten.
- Volatilität: Aktien mit einer unterdurchschnittlichen Volatilität haben sich in der Vergangenheit besser entwickelt.
- Qualität: Aktien bzw. Unternehmen mit starken Rentabilitätsmerkmalen haben im Laufe der Zeit eine überdurchschnittliche Performance gezeigt.
- Dividendenrendite: Aktien bzw. Unternehmen mit überdurchschnittlich hohen und steigenden Dividendenrenditen schlagen tendenziell Aktien mit niedrigen Renditen.
Es gibt mehrere verschiedene Metriken, die verwendet werden können, um Aktien mit jedem dieser Merkmale zu identifizieren. Darüber hinaus werden ständig weitere Faktoren identifiziert, um neue Möglichkeiten zur Identifikation von potenziellen Renditetreibern für Anleger zu finden.
Beispiele für Faktoren als Renditetreiber

Wenn es um die Messung von Faktoren geht, sind einige einfacher und weniger subjektiv als andere. Unternehmensgröße, Volatilität und Momentum sind einfach zu identifizieren und können auf relativer Basis gemessen werden.
Value, Qualität und Ertrag sind nuancierter und unterliegen der stetigen Bewertung und ständigem Research. Value wird traditionell anhand von Kurs-Gewinn-Verhältnis und Kurs-Buchwert-Verhältnis gemessen, aber inzwischen sind auch andere Messarten weit verbreitet.
Insbesondere das Wachstum großer Technologieunternehmen mit relativ wenigen Assets hat das Kurs-Buchwert-Verhältnis weniger relevant gemacht. Infolgedessen sind Umsatz und Free Cashflow weit verbreitet. Der Unternehmenswert wird verwendet, um den Marktpreis eines Unternehmens genauer abschätzen zu können.
Ein gängiger Value-Maßstab ist das CAPE Ratio oder auch zyklisch angepasstes Kurs-Gewinn-Verhältnis. Diese Kennzahl verwendet langfristige, inflationsbereinigte Erträge, um die Auswirkungen von Konjunkturzyklen auf das Ergebnis eines Unternehmens zu eliminieren.

Qualität ist ein Faktor mit Ermessensspielraum. Häufig verwendete Messgrößen sind ROE, Ertragsstabilität, Dividendenwachstum und Bilanzstärke. Einige Anleger sind zudem der Ansicht, dass Rechnungslegungsgrundsätze und Unternehmensführung ebenfalls unter Qualität fallen. Es gibt eine unendliche Anzahl von Möglichkeiten, wie diese Metriken kombiniert werden können, um eine Qualitätsbewertung eines Unternehmens zu erstellen, was dies zu einem der subjektivsten Faktoren macht.
Die Ertragskraft wird traditionell an der Dividendenrendite gemessen. Es gibt jedoch noch andere Möglichkeiten, wie das Management eines Unternehmens die Rendite einer Aktie verbessern kann. Die Aktionärsrendite ist eine modernere Kennzahl, die Aktienrückkäufe, Schuldenabbau sowie die Dividendenrendite umfasst.
Wachstum und Liquidität werden nicht allgemein als Faktoren angesehen, die eine Outperformance erklären können. Einige Analysten und Investoren berücksichtigen diese Faktoren jedoch auf der Grundlage ihres eigenen proprietären Research und ihren Bewertungskriterien.
ESG Investing

Ein schnell wachsender Bereich ist die Geldanlage auf Basis von ESG-Kriterien, die Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsfragen umfasst. Da es immer deutlicher wird, dass Unternehmen eine Verantwortung gegenüber einer Reihe von Interessengruppen haben, fließt mehr Geld in Fonds und Anlageprodukte, die diese Faktoren berücksichtigen. Die Geldanlage auf Basis von ESG-Kriterien ist ein sehr neuer Bereich, und es werden eine Reihe von weiteren Faktoren entwickelt, um die Nachfrage in diesem Bereich zu befriedigen.
Die ESG-Faktoren sind sehr unterschiedlich. Sie können auf religiösen oder ethischen Überlegungen, Umweltauswirkungen, dem Umgang mit Mitarbeitern oder auf der Unternehmensführung beruhen. Auch diese Faktoren können auf unendliche Weise kombiniert werden, was zu Fonds und Anlageprodukten mit sehr unterschiedlichen Zielen führt. Wenn es ein einheitliches Thema in Sachen Geldanlage nach ESG-Kriterien gibt, dann kann dies unter Nachhaltigkeit fallen. Dies kann sowohl ökologische als auch ethische Faktoren umfassen. Unternehmen, die alle Interessengruppen berücksichtigen, haben nach diesem Ansatz eher Bestand als andere.
Faktoren als Indikatoren für Risiko und Ertrag

Faktoren werden im Rahmen der Geldanlage typischerweise verwendet, um die Outperformance bestimmter Aktien zu erklären und Aktien auszuwählen, von denen erwartet wird, dass sie langfristig starke Renditen erzielen. Faktoren können so auch für andere Anlagestrategien und für die Vermögensallokation nützlich sein. Faktoren können unter anderem dazu verwendet werden, langfristige Renditen und Volatilität eines Portfolios zu schätzen.
Factor Investing kann auch zusammen mit Hedgefonds und anderen Vermögenswerten verwendet werden, um ein Portfolio aufzubauen, das langfristige Renditen bei geringer Volatilität erzielt.
Faktoren können aber auch verwendet werden, um eine Geldanlage in Aktien, Sektoren und Anlageklassen mit höherem Risiko zu vermeiden. Dies ist insbesondere von Bedeutung, wenn es um die Asset Allokation und den Aufbau von Portfolios zur Erreichung bestimmter Anlageziele geht. Long-Only Investoren sind an der Volatilität ebenso wie an der Rendite interessiert. Faktoren können daher verwendet werden, um die Volatilität eines Portfolios zu begrenzen und gleichzeitig die erwartete Rendite für ein bestimmtes Maß an Volatilität zu maximieren.
Smart Beta-Strategien zielen darauf ab, Risiken und Volatilität zu reduzieren, indem sie das Risiko potenziell überbewerteter Aktien begrenzen. Es gibt zahlreiche Smart Beta-Strategien, aber im Mittelpunkt vieler steht die Idee, dass die Marktkapitalisierung eines Unternehmens möglicherweise nicht der beste Weg ist, um die Positionen in einem Fonds oder Portfolio zu gewichten.
Vor- und Nachteile des Factor Investing

Die meisten Vorteile des Factor Investing sind auf einen Blick ersichtlich. Wie andere quantitative und evidenzbasierte Anlagestrategien reduziert Factor Investing die negativen Auswirkungen von Emotionen und subjektiven Faktoren bei Anlageentscheidungen. Faktorbasierte Strategien erfordern auch weniger Analysten als ein traditioneller aktiver Analyse- und Anlageprozess. Dies macht den Ansatz des Factor Investing kostengünstiger und eignet sich daher ideal für passive und semi-passive Portfolios.
Viele Faktoren haben eine relativ geringe Korrelation zueinander. Die Geldanlage auf Basis mehrerer Faktoren kann daher die Volatilität reduzieren. Faktoren können Anleger auch auf Aktien hinweisen, die ansonsten gegebenenfalls übersehen werden könnten. Die Nachteile von Factor Investing sind etwas schwieriger zu bestimmen. Zunächst einmal müssen Anleger erkennen, dass Factor Investing eine langfristige Anlagestrategie ist. Eine Outperformance sollte daher nicht über einen Zeitraum von weniger als einem Jahr, vorzugsweise sogar viel länger, erwartet werden.
Die meisten quantitativen Strategien versuchen, die Performance von Market-Cap-Indizes zu verbessern. Während Backtesting oft beeindruckende Ergebnisse zeigt, sind die tatsächlichen Ergebnisse oft weniger beeindruckend. Die Realität ist, dass nur sehr wenige Strategien ihre Benchmarks mit echtem Geld konsequent übertroffen haben. Dafür gibt es mehrere mögliche Gründe.

In den letzten zehn Jahren, die von historisch niedrigen Zinssätzen geprägt waren, haben sich viele Faktor-Fonds unterdurchschnittlich entwickelt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwierig zu sagen, ob diese Underperformance vorübergehend oder dauerhaft ist. Für Anleger, die in einen Factor Investing ETF investieren, kann es gegebenenfalls sehr lange dauern, bis ersichtlich ist, ob die Strategie funktioniert oder nicht.
Es sollte jedoch beachtet werden, dass viele Faktor-Fonds bisher nicht ausreichend in einer Baisse oder einer größeren Veränderung des Marktumfelds getestet wurden. Diese Fonds könnten aber grundsätzlich in einem solchen Zeitraum eine deutlich bessere Performance erzielen. Im Rahmen von Factor Investing besteht zudem das reale Risiko, dass eine zu starke Fokussierung auf bestimmte Faktoren zu einem Portfolio mit Konzentrationsrisiko führen kann. Am besten nutzt man daher Factor Investing, um andere Strategien zu ergänzen.
Alternativen zum faktorbasierten Investieren
Factor Investing als Anlagestrategie ist keinesfalls risikolos! Erst mit der Zeit können faktorbasierte Strategien beweisen, ob diese zu Outperformance fähig sind. Es gibt jedoch noch viele andere Möglichkeiten, mit denen ähnliche Ergebnisse erzielt werden können.

Wie bereits erwähnt, ist Smart Beta ein ähnlicher Ansatz wie Factor Investing und es gibt viele Überschneidungen. Beim Vergleich von Factor Investing mit Smart Beta Investing versucht der erste Ansatz, Renditen zu erzielen, während der zweite versucht, Risiken zu vermeiden. Smart Beta-Strategien nutzen in der Regel Faktoren, um das Risiko von Market-Cap-gewichteten Fonds zu reduzieren. Sie können daher eine leicht abgeschwächte Möglichkeit bieten, Faktoren in ein Portfolio miteinzubeziehen.
Traditionelle Index-ETFs dürften im Laufe der Zeit sehr ähnliche Ergebnisse wie Factor Investing erreichen. Index-ETFs generieren langfristig im Vergleich zu Factor Investing vielleicht etwas niedrigere Renditen, aber sicher ist auch, dass sie von Zeit zu Zeit eine höhere Volatilität aufweisen werden.
Wenn das Hauptziel eines Portfolios darin besteht, Volatilität zu vermeiden, gibt es mehrere Möglichkeiten, das zu erreichen. Diversifikation über mehrere Anlageklassen hinweg ist der effektivste Weg, um Volatilität zu reduzieren. Alternative Anlagen wie Hedgefonds können beispielsweise zu einem Kernportfolio von Index-ETFs hinzugefügt werden. Marktneutrale Hedgefonds können Alpha generieren und gleichzeitig das Marktrisiko – das mit Beta einhergeht – nahezu ausschließen. Dadurch kann die Gesamtvolatilität reduziert und die Rendite gesteigert werden. Solche Strategien können den Bedarf an niedrig verzinslicher Liquidität in einem Portfolio reduzieren.

Der Data Intelligence Fund von Lehner Investments beispielsweise hält Long- und Short-Positionen und ist damit weitestgehend marktneutral. Die Anlageentscheidungen werden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und Big Data Analysen getroffen. Der Fonds nutzt Trading-Signale basierend auf Sentiment-Werten, die aus benutzergenerierten Daten, historischen Kursbewegungen und anderen Daten gewonnen werden. Dieser Ansatz unter Verwendung von Echtzeitdaten generiert Renditen mit einer sehr geringen Korrelation zu Aktienindizes.
Ein weiterer Ansatz ist der Einsatz von Robo Advisor oder Life Cycle Fonds / Target Fonds zur Verwaltung der Vermögensallokation eines Portfolios. Das Exposure gegenüber volatileren Anlageklassen wird in diesen Anlageprodukten mit der Zeit schrittweise reduziert.
Fazit: Faktorbasierte Anlagestrategien als Ergänzung für langfristig orientierte Anleger
Factor Investing bietet eine weitere Möglichkeit, Geldanlage für langfristig orientierte Anleger zu realisieren. Die meisten Faktor Investmentfonds sind recht neu und wurden daher noch nicht ausreichend getestet. Das bedeutet, dass sie nicht ganz ohne Risiko zu betrachten sind. Dennoch können derartige Anlageprodukte als ergänzende Strategie zur Reduzierung von Volatilität und zur Erzielung von langfristiger Outperformance eingesetzt werden.